Wiederbelebung eines alten Stahlschiffs

Monat: Juni 2025

Die Vision

Moderne Schiffstechnik trifft Oldtimer-Stahl – wie wir die MS Achat digital neu erfinden

Die MS Achat ist ein Stück Schifffahrtsgeschichte – gebaut 1964 in Bonn, schwer beschädigt durch ein Feuer im Jahr 2022 und seither aufwendig restauriert. Doch wir wollen mehr, als nur das alte Schiff wieder flottmachen: Wir bauen es von Grund auf neu – digital, sicher und effizient. Im Mittelpunkt steht dabei ein System namens NORA, das alle zentralen Funktionen an Bord überwacht, steuert und dokumentiert. Doch NORA ist nur ein Teil eines viel größeren Plans.


NORA – das digitale Nervensystem an Bord

NORA ist unsere Schaltzentrale für alles, was sich nicht mit Muskelkraft oder einem simplen Schalter steuern lässt. Das System läuft auf einem kleinen Bordcomputer und verbindet alle wichtigen Bereiche des Schiffs:

  • Sicherheit (z. B. Brückendurchfahrten, Lecküberwachung)
  • Navigation (z. B. Lage, Position, Kurs)
  • Antrieb & Ruder (z. B. Rückmeldung von Motor, Lenkelementen)
  • Energiemanagement (Stromfluss, Spannungen, Solarladung)
  • Wassermanagement (Tankstände, Pumpen, Filter)
  • Checklisten & Logbuch (z. B. automatische Abfahrtskontrolle)
  • Bord-Wiki (Wartungsanleitungen, Reparaturvideos)

Das System wurde so aufgebaut, dass es auch bei wechselnder Crew verständlich bleibt und jede sicherheitsrelevante Information zuverlässig dokumentiert wird. Über eine einfache Oberfläche (Tablet, Bildschirm oder Smartphone) ist jederzeit klar ersichtlich, was funktioniert – und was nicht.


Antrieb und Ruder – elektrisch und präzise

Die alte Technik der MS Achat war auf klassische Dieselantriebe und manuelle Steuerung ausgelegt. Heute arbeiten wir an einem hybriden System, das auf einen modularen, teils elektrifizierten Aufbau setzt. Die genauen Komponenten werden noch angepasst, aber Grundprinzipien stehen:

  • Hauptantrieb: Ein effizienter Dieselantrieb mit der Option auf zukünftige Hybridisierung (z. B. Elektro-Unterstützung für Hafenmanöver)
  • Ruderanlage: Die Steuerung erfolgt über einen präzisen Elektromotor mit Rückmeldung – d. h., das System „weiß“ jederzeit, wie stark und in welche Richtung gesteuert wird
  • Lenkwinkelanzeige & Logging: Alle Bewegungen werden live angezeigt und im Bordlogbuch gesichert – hilfreich für Wartung und Unfallvermeidung

Ein klarer Vorteil dieses Systems ist die Möglichkeit, über Fernsteuerung oder Autopilotmodule zu navigieren, z. B. bei engen Manövern oder beim Anlegen unter schlechten Bedingungen.


Brückenwächter & Umweltsensoren – sehen, was kommt

Für sichere Fahrten unter Brücken oder in engen Kanälen kommt ein speziell entwickelter Brückenwächter zum Einsatz:

  • Lidar-Sensoren messen Abstände zur Umgebung (auch bei Nebel oder Dunkelheit)
  • Kameras mit Nachtsicht und Wärmeerkennung liefern ein Livebild an Bord
  • Bilderkennung analysiert Schilder, Höhenmarkierungen oder Hindernisse

Die Daten fließen in NORA ein, das Warnmeldungen gibt, bevor es kritisch wird. Das System wird dauerhaft an Deck verbaut und ist für raue Bedingungen ausgelegt.


Stabilisierung – modernes System mit rotierender Technik

Ein Highlight ist der Umbau des alten Stabilisators. Ursprünglich ein passives System, wird er nun zu einem aktiven Magnus-Stabilisator umgebaut. Dabei dreht sich ein Zylinder quer zur Fahrtrichtung und erzeugt durch seine Rotation eine seitliche Kraft – ähnlich wie ein rotierender Fußball in der Luft.

Das bringt Vorteile:

  • Weniger Rollen bei Seegang
  • Geringerer Energieaufwand als bei klassischen Flossenstabilisatoren
  • Intelligente Regelung durch NORA je nach Geschwindigkeit, Kurs und Wellengang

Wassermanagement – klar getrennt, effizient organisiert

Ein weiteres großes Thema ist das Wassersystem an Bord – wichtig für längere Reisen oder autarke Liegezeiten. Die Anlage besteht aus mehreren Komponenten:

  • Frischwassertanks mit Füllstandsanzeige
  • Grauwasser- und Schwarzwassertanks mit automatischer Überwachung
  • Filteranlage zur Reinigung von Seewasser (Watermaker)
  • Dosiersystem für Reinigungs- und Spülprozesse (z. B. bei Wartung)

Alle Pumpen und Ventile sind automatisiert und lassen sich über NORA einsehen und steuern. Wartungszyklen wie das Spülen von Filtern oder das Nachfüllen von Chemikalien werden automatisch angezeigt und dokumentiert.


Fazit – ein Schiff, das mitdenkt

Die MS Achat wird kein klassischer Oldtimer – sondern ein intelligentes, modernes Schiff, das Technik nicht versteckt, sondern gezielt einsetzt. Vom stabilisierten Seegang bis zur abgesicherten Brückendurchfahrt, vom digitalen Wartungsbuch bis zur ferngesteuerten Ruderanlage – unser Ziel ist ein Schiff, das mitdenkt, mitarbeitet und mitwächst.

Und das Beste daran: Die Systeme sind modular, erweiterbar und offen für neue Ideen – denn die Reise der MS Achat hat gerade erst begonnen.

Zurück an Bord – ein erstes Update nach langer Pause

Über ein Jahr war es still auf diesem Blog. Nicht, weil nichts passiert wäre – im Gegenteil: In dieser Zeit hat sich das Projekt massiv weiterentwickelt. Heute melde ich mich zurück mit einem ersten Einblick in den aktuellen Stand des Umbaus.

Komplett geschweißt – neue Struktur für ein neues Kapitel

Das Boot ist inzwischen vollständig geschweißt. Wir sprechen hier nicht von kleinen Ausbesserungen, sondern von einem umfassenden Neuaufbau: Das Deck, der Aufbau und der Unterbau wurden komplett erneuert. Auch die Motorgondeln für die Elektromotoren sind jetzt Teil des Rumpfes – dafür mussten spezielle Ausstülpungen konstruiert und eingeschweißt werden.

Überraschungen unterm Beton

Beim Entfernen von Altlasten zeigte sich: Es waren deutlich mehr Durchrostungen vorhanden als ursprünglich angenommen. Im Heckbereich (Achter) befanden sich rund 1,5 bis 2 Kubikmeter alter Beton, der mühsam herausgestemmt werden musste. Darunter war das Stahlblech in einem sehr schlechten Zustand. Besonders kritisch: die Lagerungen der Motorwellen. Hier hatte die alte Konstruktion Hohlräume und Übergänge, die nie zugänglich und damit auch nie pflegbar waren – mit entsprechendem Rostbefall.

Ruderanlage: neu gedacht und umgesetzt

Auch die Ruderanlage war stark korrodiert und musste komplett ersetzt werden. Die Ruderblätter konnten erhalten bleiben, aber es wurden neue Ruderkoker eingeschweißt und neue Ruderachsen installiert. Die Steuerung ist nun elektrisch – jedes Ruder kann einzeln angesteuert werden. Für den Notfallbetrieb bleibt die Möglichkeit, beide Ruder über nur einen Motor zu bewegen.

Ein neues Raumgefühl: Garage & Flat Floor Design

Mit dem Umbau hat sich das Boot deutlich verändert – nicht nur technisch, sondern auch optisch: Es ist jetzt etwa 2,5 Meter länger und wirkt in seiner neuen Form fast wie ein kleiner Expeditionskreuzer.

Ein zentrales neues Element ist die großzügige Garage mit großer Luke. Motorräder und Fahrräder finden hier problemlos Platz. Im Inneren setzt sich das neue Raumkonzept fort: Dank eines durchgehenden Flat-Floor-Designs kann man sich ohne Treppen im gesamten Schiff bewegen – ein enormer Komfortgewinn.

Reparaturen am Rumpf & kritische Stellen beseitigt

An vielen Stellen, besonders dort, wo früher die Kompressoren für Kühlung und Tiefkühlung saßen, war der Rumpf durchgerostet – teilweise war außen nur noch Epoxy und Spachtelmasse vorhanden. Das Metall dahinter war vollständig verschwunden. Auch diese kritischen Schwachstellen sind nun fachgerecht ersetzt und geschweißt.

Sandstrahlen & Feinarbeiten

Derzeit läuft der Sandstrahlprozess – aktuell auf der Steuerbordseite. Besonders aufwendig ist das Entfernen alter Spachtelmasse, die teilweise bis zu 10 mm dick aufgetragen war. Das kostet Zeit, geht aber kontinuierlich voran. Bis Ende Juni könnten die Strahlarbeiten abgeschlossen sein.

Technik im Fokus: Wellenanlage, Motoren & Inverter

Parallel zum Strahlen arbeite ich an der neuen Wellenanlage, die ich komplett selbst konstruiert habe. Sobald sie installiert ist, geht es an die finalen Arbeiten an den Motorfundamenten.

Die Motoren sind bereits vor Ort – ebenso wie die Inverter, die ursprünglich aus einem Toyota Prius stammen. Sie werden mit einer neu programmierten Steuerplatine ausgestattet. Der Umbau ist technisch anspruchsvoll, aber auf einem guten Weg.


Fazit

Das Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen, aber inzwischen kann man erkennen, wohin die Reise geht – im wahrsten Sinne des Wortes. Aus dem alten Rumpf entsteht Schritt für Schritt ein robustes, modernes und eigenständiges Schiffskonzept. Ich freue mich, euch in Zukunft wieder regelmäßiger mitzunehmen – denn ab jetzt gibt’s wieder Updates von Bord.

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